Here We Are Today – so lautet die erste Ausstellung im neuen Bucerius Kunst Forum. Eine besonders geschickte Wahl, denn der Titel scheint sich nicht nur auf das Thema der Ausstellung zu beziehen. Denn: Here We Are Today liest sich auch wie ein selbstbewusster Ausdruck für den neuen Standort der Institution. Am 7. Juni 2019 war die Eröffnung des Forums in den jetzigen Räumen Alter Wall 12 gegenüber dem Rathaus. Nur ein paar Schritte entfernt von der ehemaligen Adresse. Und immer noch im Herzen der Stadt.
22.August 2019 | Özlem Özdemir
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lles begann 2002. Von der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius gegründet, zeigte das Bucerius Kunst Forum als Auftakt die Ausstellung „Picasso und die Mythen“. Und setzte damit bereits seine hohen Maßstäbe. Seitdem sind fast zwei Jahrzehnte vergangen. Weitere monografische Ausstellungen folgten. Marc Chagall, Frida Kahlo, Auguste Rodin – um nur einige zu nennen.
Fame follows Function
Im Norden Deutschlands gab es kaum etwas Vergleichbares wie das Bucerius Kunst Forum. Kein Wunder, dass sich die Einrichtung zu einem kulturellen Magneten entwickelte. Aber die erfreuliche Tendenz führte irgendwann zu 200.000 Besuchern pro Jahr. Und damit schien eine Kapazitätsgrenze erreicht. Zwar sanierte schon 2008 das Architekturbüro Störmer Murphy and Partners die Räume. Wobei bereits bei dieser Sanierung Sicherheitseinrichtungen und Klimaanlagen installiert worden waren.
Trotzdem: In der internationalen Welt der Ausstellungen gibt es Konkurrenz. Die technischen Entwicklungen sind ein nicht unerheblicher Faktor, mit dem sich kulturelle Einrichtungen profilieren können und müssen. Und so wetteifert man auch in den Bereichen Sicherheit, Beleuchtung, Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit. Offensichtlich mehr als die gewöhnlichen Besucher ahnen können. Die Direktorin Ortrud Westheider erklärt:
„Der Neubau gibt uns Gelegenheit, neue Entwicklungen in der Licht- und Klimatechnik zu berücksichtigen. Das sichert uns auch künftig Leihgaben aus Museen wie dem Louvre, dem Prado und der National Gallery“
Neubau hinter Neobarock
Und was hat nun der Neuling unter diesen internationalen altehrwürdigen Ausstellungsorten zu bieten? Hinter einer Fassade, einem neobarocken Steinmauerwerk von 1909/1910, steht ein kompletter Neubau. Auf der Wasserseite „Kleine Alster“ gibt es jedoch auch die alte Rückfront nicht mehr. Sie ist aus Naturstein und folgt den gestaffelten Obergeschossen der historischen Bebauung. Der Entwurf des Architekturbüros gmp bietet dreizehn Geschosse. Das Ausstellungshaus erhält hiervon vier Etagen mit insgesamt 3400 Quadratmetern.
Die Aufteilung ist übersichtlich: Das Foyer mit Kasse und Shop befindet sich im Erdgeschoss. Im ersten Obergeschoss liegt der Ausstellungssaal, der sich im Gegensatz zum alten Gebäude über eine einzige Ebene erstreckt. Seine Fläche von 850 Quadratmetern kann sowohl als ein großer Saal genutzt als auch in mehrere Kabinette unterteilt werden. Großzügige Leuchtpaneele verkleiden die Deckenfläche und sorgen dafür, dass alle ausgestellten Kunstwerke optimal beleuchtet werden.
Auffällig ist die Kombination von Licht mit Schwarz und Weiß. Was für einen kühlen, zurückhaltenden und doch kontrastreichen Hintergrund für die Ausstellungsobjekte sorgt. Besonders wenn man den dunklen Terrazzoboden miteinbezieht.
Das Farben- und Lichtkonzept der Decken erinnert übrigens an die der Räume des ehemaligen Standortes. Auch dort gab es einen Hell-Dunkelkontrast, allerdings war er enthalten in den Mosaiken der Säulen und der Decke des neoklassizistischen Gebäudes (1917). Und auch dort gab es ein leuchtendes Deckenelement, das statt einer viereckigen Form – wie man es am neuen Standort erleben kann – eine oktogonale Form hatte. Was beide eint, ist die schwarze Bordüre. Was aber bei dem einen feine Betonung ist, wird beim anderen ein markantes grafisches Gestaltungselement.
Lichtblick im Lichthof
Bekannt ist das Forum nebenbei für sein umfangreiches Veranstaltungsprogramm. Auch diesem Aspekt wurde im Neubau Rechnung getragen. Denn Lesungen, Konzerte, Diskussionen und Poetry Slams haben nun eine eigene Etage mit Auditorium und einem angrenzenden Lichthof. Und in diesem Atrium findet sich ein weiterer Lichtblick: Ausgenommen die Ebene auf der man sich befindet, sind die darüber liegenden vier Geschosse in ihrer Glasfassade gebrochen wie ein Kristall. Mithilfe des Glasdaches ergibt sich durch den Lichteinfall und den unterschiedlich geneigten gläsernen Flächen eine reizvolle Komposition von immer wechselnden Spiegelungen.
Bucerius Kunst Forum: Here We Are Today
Seit seiner Eröffnung vor siebzehn Jahren hat das Kunsthaus rund 50 hochkarätige Ausstellungen gezeigt. Sein Spektrum reicht von der Antike bis in die Gegenwart. Die erste Ausstellung nach dem Umzug in den Neubau ist eine künstlerische Beschäftigung mit zentralen Fragen der Globalisierung. Zu sehen ist dieser Auftakt mit Werken der Foto- und Videokunst bis Ende September im Herzen von Hamburg. Und auch wenn diese Ausstellung eines Tages vorbei ist, bleiben wird der Titel als eine Message des Ortes. ♦